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Swiss Leading House VPET-ECON

Geschlechtstypische Berufswahlentscheidungen: Ursachen und Interventionen

Zwei Studien des «Swiss Leading House VPET-ECON» in Kooperation mit der Lehrstellenplattform Yousty liefern Erkenntnisse über mögliche Ursachen für eine ausgeprägte geschlechtstypische Berufswahl und über eventuelle Gegenmassnahmen.

Vier wichtige Erkenntnisse lassen sich zusammenfassen:

  1. Traditionelle soziale Normen (d.h. althergebrachte gesellschaftliche Erwartungen, was sich für eine Frau bzw. für einen Mann gehört oder nicht) spielen heutzutage immer noch eine grosse Rolle für die Berufswahl von Jugendlichen in der Schweiz. Dies zeigt sich in grossen regionalen Unterschieden in der geschlechtstypischen Berufswahl, die sich in Regionen mit mehr oder weniger starken traditionellen Normen nachweisen lassen. So wählen junge Männer in stärker traditionellen Regionen vermehrt typische Männerberufe.
  2. Die Berufswahl junger Männer wird stärker durch regionale soziale Normen getrieben als die Berufswahl junger Frauen.
  3. Gezielte Berufsinformationen ermöglichen eine offenere (d.h. weniger geschlechtsspezifische) Berufswahl junger Frauen. Auf junge Frauen zugeschnittene Berufsinformationen zu Technik- und Informatik steigern die Bewerbungen von jungen Frauen für Technik- und Informatikberufe, insbesondere was Schnupperlehren anbelangt. Solche Berufsinformationen helfen unmittelbar in der Orienteriungs- und Bewerbungsphase durch Beschreibungen von Technik- und Informatikberufen, die den Stereotypen entgegenwirken. Im konkreten Fall waren dies beispielsweise Informationen zur Bedeutung von Teamfähigkeit sowie Bild- und Videoausschnitten aus der Berufswelt, in denen auch weibliche Lernende oder Fachkräfte zu sehen waren.

  4. Bei jungen Männern reichen solche einfachen und kurzen Informationen in der unmittelbaren Orientierungs- und Bewerbungsphase nicht aus, um die Berufswahl weniger geschlechtsspezifisch zu machen. Konkret haben auf junge Männer zugeschnittene Berufsinformationen zu Gesundheits- und Betreuungsberufen beispielsweise keine Wirkung auf Bewerbungen für diese Berufe.

Aus diesen Erkenntnissen können folgende Schlussfolgerungen abgeleitet werden:

  1. Kurze Informationsmassnahmen unmittelbar in der Orientierungs- und Bewerbungsphase mit weiblichen Vorbildern und nicht-stereotypischen Berufsbeschreibungen können ein effektives Instrument sein, um das Interesse junger Frauen an Technik- und Informatikberufen zu steigern.
  2. Solche gezielten Informationsmassnahmen sind insbesondere bei Schnupperlehren ein sehr wirksames Instrument, da sie es jungen Frauen erlauben ohne grosses Risiko einen ersten Schritt in einen geschlechtsuntypischen Beruf zu wagen.
  3. Schnupperlehren erhalten damit eine besondere Bedeutung nicht nur für einen konkreten Betrieb, sondern auch als generelle Massnahme im Kontext der Berufswahl für solche Branchen und Berufe, die ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis anstreben.
  4. Für Männer haben soziale Normen derart starke Effekte, dass mit kurzen Informationsmassnahmen unmittelbar im Bewerbungsprozess für Gesundheits- und Pflegeberufe keine Änderungen bewirkt werden können.
  5. Wenn man auch jungen Männern alle Berufe öffnen möchte – genau wie man seit Jahren richtigerweise versucht jungen Frauen alle Berufe zu öffnen – dann muss man zukünftig in Aufklärungsmassnahmen für beide Geschlechter gleichermassen investieren. Das würde auch helfen, das Matching am Arbeitsmarkt generell zu verbessern, wenn sich nicht jede und jeder Bewerbende nur auf «seine/ihre» Hälfte einer geschlechtstypischen Berufspalette beschränkt, sondern auch geschlechteruntypische Berufe in Erwägung zieht.

Zur Studie zur Bedeutung von sozialen Normen für die Berufswahl: hier.